Mythen, Fakten, Hirngespinste
Weisheiten über unsere Nachtruhe auf dem Prüfstand: Schlafforscher Albrecht Vorster sagt, was stimmt. Und was nicht :
Schlaf macht schön
Ja. In Experimenten haben Wissenschaftler festgestellt, dass wir von anderen durch- schnittlich sechs Jahre älter eingeschätzt werden, wenn wir 24 Stunden keinen Schlaf hatten. Eine gute Nacht hingegen verjüngt.
Auf der Seite schläft man schlecht
Nein. Auf der Seite schlafen ist zumindest für Schnarcher meistens die bessere Option, da dann die Zunge im Schlaf nicht in den Rachen fallen kann und es so zu weniger Atemaus- setzern kommt. Bei einer passenden Matratze und Kopfkissen sind Rückenlage und Seiten- lage gleich gesund für die Wirbelsäule.
Vollmond stört den Schlaf
Nein. Dafür fehlt jeder Beweis.
Am besten ist es, Albträume gleich wieder zu vergessen
Nein. Am besten ist es, Albträume gar nicht
zu haben. Diese lassen sich sehr gut behandeln mit der Imagery-Rehearsal-Therapie. Dabei werden die angstauslösenden Teile der Alb- träume ermittelt und das „Drehbuch“ umge- schrieben. Im Anschluss liest man das neue Traumskript täglich, bis man es im Schlaf automatisch nachträumt. Ausgelöst werden Albträume unter anderem durch Stress, Alko- hol, Medikamente und einen unregelmäßigen Schlafrhythmus.
Der beste Schlaf ist der vor Mitternacht
Nein. Die ersten drei Stunden Schlaf enthalten den meisten Tiefschlaf, egal ob sie vor oder nach Mitternacht stattfinden. Wir sollten dann ins Bett gehen, wenn wir müde werden. Für Spättypen (Eulen) ist dies nach Mitternacht.
Schlafmangel schadet der Gesundheit
Ja, das ist korrekt und am häufigsten bei Schichtarbeitenden zu beobachten. Sie leben kürzer und haben häufiger Gesundheitspro- bleme, weil sie unregelmäßig, zur falschen Zeit (am Tag) und zu wenig schlafen.
Wer nachts wenig schläft, kann es am nächsten Tag nachholen
Ja, der Körper holt Schlaf vor allem durch eine Intensivierung des Tiefschlafs nach, die Schlafqualität wird also besser nach einer kurzen Nacht. Für Menschen mit einer Ein- und Durchschlafstörung empfehlen wir explizit, auf den Mittagsschlaf zu verzichten und die verstärkende Wirkung der Schlafreduktion zu nutzen. Durch etwas reduzierte Schlafdauer schlafen wir schneller ein und besser durch, da wir tiefer schlafen.
Nachts aufwachen ist bedenklich
Nein. Wir wachen 5- bis 20-mal pro Nacht auf, nur erinnern wir uns meist nicht daran. Die durchgeschlafene Nacht ist eine Illusion. Wir brauchen diese Wachphasen, damit wir nach dem Rechten sehen können und sich unser Körper umlagern kann. Auch nächtliche Toi- lettengänge sind normal. Mit zunehmendem Alter werden die kurzen Wachzeiten länger.
Man braucht mindestens acht Stunden Schlaf
Nein. Die Schlafdauer, die wir brauchen, ist individuell verschieden. 90 Prozent der Bevöl- kerung benötigen zwischen 6 und 8 Stunden. Es gibt auch geborene Kurzschläfer, die glück- lich mit 4 oder 5 Stunden Schlaf pro Nacht durchs Leben gehen. Wichtig ist, dass wir morgens ausgeschlafen sind und nicht am Wochenende Schlaf nachholen müssen.
Je länger man schläft, desto besser
Nein. Täglich über 9 Stunden schlafen ist mit einem größeren Sterblichkeitsrisiko verbunden als Kurzschlafen.
Am besten schläft man allein
Jein. Subjektiv steigt die Schlafqualität, wenn wir neben einem Partner liegen. Objektiv kann der Schlaf jedoch mitunter durch Schnarchen oder häufige Bewegungen gestört werden.
Alkohol hilft beim Einschlafen
Ja, Alkohol erleichtert das Einschlafen, sorgt aber für häufigeres Erwachen in der zweiten Nachthälfte. Außerdem entspannt er die Rachenmuskeln und begünstigt Schnarchen und damit störende nächtliche Atempausen, die sogenannte Schlafapnoe.
Dr. Albrecht Vorster, 39, leitet das Swiss Sleep House Bern. Er schrieb das Buch „Warum wir schlafen“ Wer gähnt, ist müde Nein. Wir gähnen am häufigs- ten am Morgen nach dem Auf- stehen. Das dehnt die Kiefer- muskeln. Wir gähnen auch aus Langeweile. Gähnen hat also viele Funktionen. Mittagsschlaf ist für Weicheier Jein. Ein Nickerchen kann Leistungsfähigkeit und Konzentration erhö- hen. Das abendliche Eindösen vor dem Fern- seher bedeutet ein „Vorschlafen“. Es verlängert die Einschlafdauer und verringert die Schlaf- tiefe. Wir empfehlen tagsüber einen maximal 15-minütigen Powernap, der durch einen Wecker kontrolliert wird. Yoga vor dem Zubettgehen hilft Ja. Yoga kann einen positiven Effekt auf das Einschlafen haben, ebenso wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training und Atemmeditationen. Nach 20 Uhr nichts mehr essen Ja. Mit vollem Magen schlafen wir schlechter ein und durch. Gönnen Sie Ihrem Körper eine nächtliche Essenspause von zwölf Stunden. Schlafwandler darf man nicht ansprechen Ja, Schlafwandler schlafen tief und fest, zumindest mit der Hälfte ihres Gehirns. Wenn wir sie aufwecken, ist es, als würden wir jemanden mitten aus dem Tiefschlaf reißen. Schlafwandler reagieren dann verstört, unwirsch und orientierungslos. Am besten ist es, einen Schlafwandler ruhig in sein „Erst mal eine Nacht drüber schlafen“ nützt gar nichts Nein. Während des Schlafs werden unsere Erinnerungen sortiert, bewertet und gefes- tigt. Wir wachen mit einem anderen Gehirn auf, als wir eingeschlafen sind. Schlaf stärkt also die Zusammenschau aller vorliegenden Eindrücke und hilft uns daher, bessere Ent- scheidungen zu treffen. Blaues Handylicht raubt den Schlaf Jein. Licht erschwert das Einschlafen, aber Am besten schläft man nach gutem Sex Ja, beim Sex oder bei der Selbstbefriedigung wird Dopamin ausgeschüttet. Es reduziert die Symptome des Restless-Legs-Syndroms. Auch Oxytocin wird freigesetzt und vermittelt Geborgenheit. Nach der Anspannung ent- spannen sich unsere Muskeln, auch dies lässt uns schneller und besser schlafen. |
Quelle:FOCUS 6/2024, Seite 68
Foto: akg-images, Kay Blaschke